Abenteuer – in meinem Alter?

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Der Teide lugt aus einem Wolkenloch hervor.

… also, ab und an kann ich ja mal aus dem Fundus meiner Abenteuer berichten. Nein, nicht das Abenteuer, um dessen Schilderung willen nun einige glatt weiter lesen würden. Heute geht es nur um rätselhafte Töne, unbekannte Strukturen und um (un)endliche Geduld. Aber der Reihe nach.

Vor eineinhalb Wochen auf meiner Winterinsel angelandet höre ich am ersten Morgen ein nicht ganz unbekanntes “Tatü-tatü-tatü”. Noch schlaftrunken tippe ich auf einen Alarm meines Defis. Für den Folgetag den Wecker gestellt und nunmehr ausreichend wach höre ich den 10-sekündigen Defialarm zur eingestellten Alarmzeit 8:39 Uhr dt. Zeit/7:39 Uhr Ortszeit. Mist. War doch wie immer kurz vor der Abreise in den Süden zum Check. Und alles war ok.

Kontakt zum heimischen Kardiologen aufgenommen; der sagt: den Speicher auslesen lassen. Dauert keine zehn Minuten, wird bei jedem Check gemacht. Hier auf Teneriffa (eigentlich) auch kein Problem, zwei Kliniken implantieren und betreuen Defis meines Herstellers. Aber, normalerweise mutieren Gänge zu Behörden und großen Organisationen, wie z.B. die Uniklinik, immer zu einem anspruchsvollen Hürdenlauf bis hin zu einer Odyssee. Daher einige Infos über das Teneriffa-Forum eingeholt und mit den Tipps versehen ging es gestern los.

Erste Adresse: Außenstelle des Unihospitals hier in Puerto de la Cruz. Ergebnis: Als in DE gesetzlich Versicherter  soll ich mich in der Urgencia (Notaufnahme) des Haupthauses in La Laguna melden. Gesagt, getan; kaum eine Stunde später wusele ich mich durch das Eingangsprozedere, werde registriert und sogleich ärztlich vereinnahmt. Anamnese, Blutdruck, EKG, Röntgen. Alles ein wenig aufwändiger bis zum Auslesen des Defis, aber ok, in Spanien ist es nun mal vieles anders.

Nach kaum einer Stunde werde ich in einen Raum mit acht komischen Sitzen geführt. Sala de Espera Nr. x steht dran (Warteraum x). Die mit Tüchern abgedeckten kunstledernen Sitze sind Spielzeug pur. Mit einer Fernbedienung kann man Liege-, Sitz- und Unterschenkelbereich zueinander neigen, wie man möchte. Cool. Jeder meiner Sitzgenossen und Sitzgenossinnen hat sein Spielzeug individuell eingerichtet. Nebenan noch weitere solcher Warteräume und auf dem Flur Betten mit Kranken und Verletzten, leichtere und schwere Fälle kunterbunt gemischt. In größeren Abständen werden jeweils ein bis vier Patienten aufgerufen und fortgeführt oder geschoben. Ganz offensichtlich zur Behandlung. Na gut, irgendwann bin ich an der Reihe, nur Geduld. Dauert dann ja nur noch zehn Minuten.

Gegen 13 Uhr bin ich dort eingetroffen. Es wird 15, 17, 19 Uhr.  Zwischendurch stürmen Besucher die Warteräume, bis sie nach kaum einer Stunde vom Pflegepersonal und der Security regelrecht vertrieben werden. Überhaupt wird der Zu- und Abgang dieses Klinikbereiches auffallend restriktiv von mehreren Personen überwacht.

Immer mal wieder mache ich mich bemerkbar – ja, alles ok, die Kardiologie muss erst Zeit haben. Gegen 20 Uhr wird Essen ausgegeben. Nicht für mich, also kann es nicht mehr lange dauern. Denkste. Gegen 1 Uhr morgens wieder ein Anlauf, die Sache zu beschleunigen. Die Kardiologie möchte sich den Signalton anhören, heißt es nun. Ich falle vom Glauben ab, das wären noch weitere gut sechseinhalb Stunden Wartezeit. Und der Signalton dauert nur zehn Sekunden. Und nur einmal täglich. Was, wenn dann niemand …

Mir ist klar, dass sich in der Nacht nichts mehr tun wird. Mir ist auch längst klar, was es mit den komischen Sitzen auf sich hat. Das sind zugleich Betten. Und mir wird schlagartig klar, dass es in spanischen Krankenhäusern ganz anders läuft, als ich das bisher anderweitig erlebt habe. Ich bin stationär aufgenommen. Nix mit ambulantem Auslesen des Defis.

Auf eine Übernachtung bin ich überhaupt nicht eingerichtet – keine Wechselwäsche, keine Pflegemittel, nichts dabei. Duschen gibt es hier auch nicht und nur ein WC für Dutzende Patienten.

Es wird Morgen. Innerlich erwarte ich bis 7:39 Uhr nichts, was die Sache endlich zu einem guten Abschluss bringen könnte. Und siehe da, zehn Minuten vor dem Defialarm kommt eine Schwester oder Ärztin aus der Kardiologie. Ich strahle. Sie fragt nach dem Hersteller des Gerätes. Ja klar kann ich den nennen. Und hier ist der Gerätepass samt letzter Checkdaten, für die sich bei der Aufnahme und später niemand interessierte. Sie auch nicht, der Name des Herstellers reicht ihr und schwups, ist sie wieder weg. Der Alarm findet nur für meine Ohren statt.

Ich gehöre von Haus aus nicht zu den geduldigsten Mitmenschen, muss mir aber ob dieser langen Wartezeit eine Anerkennung aussprechen. Nie hätte ich gedacht, rd. 19 Stunden Wartezeit ohne eine Perspektive durchhalten zu können. Aber 19 Stunden sind genug.

Um acht Uhr ist Schichtwechsel. Die Nachtschicht ist dann ganz mit sich beschäftigt, wie auch die Tagschichtleute. Und auch die Aufseher an der großen, zentralen Schwingtür wechseln und sind unaufmerksam. Hatte ja gut 19 Stunden Wartezeit mit Sinn zu erfüllen und mich dem Beobachten und Analysieren der Abläufe in diesem Klinikbereich hingegeben.

Vor allem habe ich ausgehungert und übernächtigt jetzt keine Lust auf eine unorthodoxe bürokratische Entlassung, oder gar Lust, irgendeinem Wachhabenden zu erklären, dass ich die Schnauze voll habe. Zumal mir das kaum angemessen und nachvollziehbar verständlich mit meinem Pütscherspanisch gelingen dürfte. Und die Jungs tragen Schlagwaffe und Handschellen. Werde der Klinik nachher eine eMail zukommen lassen.

Ganz langsam schlendere ich hinaus und tue auch im draußen noch videoüberwachten Bereich ganz unschuldig. Erfolgreich.

(Foto: © eigenes Foto)

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9 Antworten zu Abenteuer – in meinem Alter?

  1. Susanne Haun schreibt:

    Auf jeden Fall gute Besserung, auch wenn es dir ja nicht wirklich schlecht geht.
    Ist es nicht gefährlich, mit einem defekten Defibrillator in der Brust ‚rumzulaufen?
    Einen schönen Tag von Susanne

  2. Ulla schreibt:

    Oh, hoppla! Drücke dir die Daumen, dass alles wieder in Ordnung kommt.

  3. Susanne Meitz schreibt:

    Das Chaos gibt es also nicht nur in Mexiko 🙂

  4. Chris Heidenreich schreibt:

    Alles Gute für Dich, und dass Du schnell wieder den Rückflug antreten kannst.

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