… also ehrlich, Staatsanwalt im niedersächsischen Hannover möchte ich nicht sein. Erst die immer noch nicht ausgestandene Sache mit dem jungen Altbundespräsidenten, nun das Hickhack um den Ex-Bundestagsabgeordneten aus Niedersachsen, dem Besitz kinderpornografischen Materials vorgeworfen wird.
Zur Erinnerung an den Unterricht in Staatsbürgerkunde. Hat die Staatsanwaltschaft den begründeten Verdacht der Begehung einer Straftat, muss sie ermitteln. Dabei spielt keine Rolle, wie sie an das Wissen gelangt ist, das den Anfangsverdacht begründen könnte. Abgesehen von Antragsdelikten genügt schon die aufmerksame Lektüre der Tagespresse, um einen Staatsanwalt in seinem Zuständigkeitsbereich aktiv werden zu lassen.
Man stelle sich vor, in der erstgenannten Causa hätte die Staatsanwaltschaft die fast täglich umfangreicher werdenden Vorwürfe gegen das ehemalige Staatsoberhaupt ignoriert, als da waren zinsbegünstigte Darlehn, Urlaubsreisen, Wahlkampfspenden etc. Ein Aufschrei wäre durch Volk und Presse gegangen. Sauber sein, unangreifbar objektiv, nicht zwischen Promi und Normalo differenzierend mag das lautere Motiv seinerzeit gewesen sein. Am Ende hat die Staatsanwaltschaft die Arschkarte, wie man jetzt sieht.
Und während die eine Geschichte gerichtlich noch nicht abgeschlossen ist, hat die Staatsanwaltschaft Hannover den nächsten aufsehenerregenden Fall an der Backe. Die Kanadier haben nach jahrelangen Ermittlungen ein Netz pädophiler Internetuser dokumentiert. Die Erkenntnisse wurden auf dem Dienstweg den Behörden in mehr als 90 Ländern zur Verfügung gestellt, um in diesen Ländern Ermittlungen nach Landesrecht zu ermöglichen.
Also liefen die Ermittlungen in Deutschland an, in den Fokus geriet dabei auch ein Bundestagsabgeordneter. Darüber informierte das BKA (Bundeskriminalamt) seinen Chef, den Bundes-Innenminister, der den Parteivorsitzenden des Verdächtigen (der stammt aus Niedersachsen), jener den Geschäftsführer der Fraktion (stammt auch aus Niedersachsen) und den Fraktionsvorsitzenden (ja doch, auch aus Niedersachsen). Natürlich vereinbarten alle Seiten Vertraulichkeit, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. Tatsächlich geriet in den folgenden Monaten nichts an die Öffentlichkeit.
Tja, als sich im Zuge der Ermittlungen aus Sicht der Staatsanwaltschaft Handlungsbedarf ergibt und ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erwirkt wird, tritt flugs vorher der Bundestagsabgeordnete aus gesundheitlichen Gründen von seinen politischen Ämtern zurück. Wenigstens bedarf es nun keiner Sonderrunde über den Immunitätsausschuss des Bundestages, man kann direkt zur Durchsuchung schreiten. Das Timing ist absolut verblüffend.
Nun kommt es so, wie es kommen muss. Vorgestern wird die Sache publik und sogleich wird gemunkelt, worum es geht. Der Beschuldigte weist alle Vorwürfe zurück, die gebrannte Staatsanwaltschaft schweigt. Tags darauf gibt der Beschuldigte eine Erklärung ab und seine politischen Freunde mahnen die unverzügliche Aufklärung im Interesse aller an. Die Staatsanwaltschaft schweigt weiter, muss sie in diesem Stadium auch.
Im weiteren Verlauf wird erst heute bekannt, dass die Spitzenfunktionäre jener Partei bereits zeitig informiert waren. Und aus ungenannter Quelle verlautet zugleich, an den beschlagnahmten Computern sei manipuliert worden, Festplatten seien gelöscht, zerstört oder fehlten gar ganz.
Da bekommt die gestrige Erklärung des Beschuldigten, er besitze kein kinderpornografisches Material, doch ein ganz anderes Gewicht. Wenn die Staatsanwaltschaft die Hinweise aus Kanada nicht mit belastbaren Beweisen belegen kann, wird die Sache wieder zur Arschkarte der Hannoveraner.
Menno, ich möchte wirklich nicht Staatsanwalt in Hannover sein.